Mit der heutigen Tour haben wir den zentralen Schweizer Alpenraum in Richtung Westen verlassen und die Landschaft ähnelt wieder mehr dem Beginn unserer Tour im Thurgau. Sanfte Hügel mit Wiesen, Almen und Wäldern statt klarer Bergseen und schroffen, felsigen Berghängen.
Heute hat uns den ganzen Tag über Pilger Matthias aus Fulda begleitet, denn wir ja schon früh auf unserer Tour am Hörnli und danach immer mal wieder getroffen hatten und der bis Santiago und zurück pilgern möchte.
Einen Tag zu Dritt zu pilgern war auch ganz interessant, aber Matthias wollte von Spiez aus in 2 statt 3 Tagen nach Fribourg (wo ihn seine Tochter erwartet) und so hat er nach Erreichen unserer heutigen Herberge noch ein paar Kilometer draufgelegt. Schon jetzt aber Buen Camino und Gottes Segen für die weitere Reise, lieber Matthias.
Insgesamt war die Strecke heute von Distanz und Profil gut machbar, einzig beim Wetter hat der April schon mal sein Können aufblitzen lassen und Regen und Sturm haben den Tag interessant gestaltet :-)
Gegen 8 Uhr wurden wir unserer Gastgeberin, Frau Tschirrer, verabschiedet und wir verließen Spiez in westlicher Richtung rechte Hand den Thuner See und linke Hand die Bergkette rund ums Stockhorn im Blick.
Sonne und Wolken lieferten beeindruckende Impressionen ab und wir kamen bei nur leichten Auf- und Abstiegen zügig voran.
Mit dem Überqueren der Kanderschlucht sagten wir dem Thuner See adé.
Nächster Zwischenstopp war in Amsoldingen, wo wir die beeindruckende rund 1.000 Jahre alte Kirche besichtigten. Sie ist nach wie vor in ihrem ursprünglichen romanischen Zustand und von beeindruckender, rauer Schönheit.
Im Innern der Kirche haben wir zu Dritt den alten Choral "Nun danket alle Gott" angestimmt - sehr bewegend.
Mit dem Erreichen von Amsoldingen haben wir die dritte von fünf Abschnitten des Schweizer Jakobsweges (den Berner Oberländer Weg) nun auch absolviert.
Von Amsoldingen startend konnten wir die nahende Regenfront schon auf uns zukommen sehen. Fest in unser Regenzeug eingepackt, wanderten wir ihr wacker entgegen.
Nach kurzer Zeit und Sichtung des Regenradars entschieden wir dann doch bei nächstbester Gelegenheit einen Unterstand zu suchen. Und tatsächlich bot einer der nächsten Höfe, die wir passierten eine SB-Apfelsaft-Station (heißt hier Süßmost) mit einer Bank an der regenabgewandten Seite, also trocken :-)
Wir legten also kurzerhand eine vorgezogene Mittagspause mit Apfelsaftverkostung ein und warteten den durchziehenden Schauer ab. Doch mit unserem Glück nicht genug. Nach rund 5 Minuten kam die Bäuerin heraus, sah uns und fragte unvermittelt, ob sie uns einen Kaffee bringen dürfte. Da sagten wir natürlich nicht nein :-) Ein Kaffee + Schoki-Ei war das beste, was uns in der Situation passieren konnte.
Nach rund einer halben Stunde, in der wir unser übliches Mittagsmahl verputzt und nebenher den Milanen (oder Bussarden - der Mann meiner Arbeitskollegin tippte anhand unserer Fotos eher auf Bussard statt Milan :-) ) bei ihren spektakulären Flugmanövern im Sturm zu sehen konnten, flaute der Regen ab und wir machten uns wieder auf den Weg. Der Wind aber blieb und kam stramm von vorne.
In Blumenstein kamen wir dann mit dem Besitzer einer Wassermühle ins Gespräch, die bis vor wenigen Jahren als Sägemühle im Einsatz war, nun aber einen Generator antreibt und Strom erzeugt.
Die letzten Kilometer entlang der Gürbe.
Zielort Wattenwil
Verabschiedung von Matthias
Wir haben wieder eine tolle Herberge gefunden, diesmal bei Familie Liechti.
Da wir früh am Ziel waren und die Herberge eine tolle Küche beinhaltete...
...konnten wir heute sogar mal selbst das Abendessen kochen.
Zuguterletzt wollte ich noch drei Dinge mitgeben, die mir heute tagsüber (wieder) in den Sinn gekommen sind.
Zum einen habe ich bei unserer Schnee-Episode am Brünigpass häufig gedacht, wie beschwerlich und gefährlich das Reisen und Pilgern früher gewesen sein muss. Ohne GPS-Navi und entsprechende Funktionskleidung. Mir kam der Film "Schwabenkinder" in den Sinn, der - ohnehin sehr bedrückend - nach dieser Erfahrung noch viel eindringlicher auf mich wirkt.
Zum zweiten wollte ich ein Bild von gestern von einer optimalen Wanderer-Bank nachreichen. Wieso optimal? Weil man sich perfekt auf ihr hinsetzen kann, ohne den Rucksack absetzen zu müssen. Wirklich nachbauenswert ;-)
Zum dritten sind wir heute an einem Schild vorbei gelaufen, das perfekt zu unserem Pilgermotto: "Wohin gehen wir? Immer nach Hause!" passt. Katharina und ich freuen uns schon sehr auf die Heimkehr zu unseren vier Daheimgebliebenen am kommenden Mittwoch und so haben wir uns auch über dieses Schild sehr gefreut.
Morgen steht die Etappe über den Rüeggisberg nach Schwarzenburg an, wieder rund 22km, dafür aber mit mehr Steigung als heute und mit einer amtlichen Sturmwarnung ab morgen 11 Uhr, dementsprechend möchten wir auch wieder früh starten.
Unsere Pilgerreise neigt sich langsam dem Ende zu. Aufgrund des um fünf Tage verschobenen Startes werden wir es nicht mehr bis Genf schaffen. Wir streichen aber (nach Entscheidung von Katharina) den eigentlich für Sonntag geplanten 2. Ruhetag in Fribourg/Freiburg, so kommen wir hoffentlich zumindest bis Lausanne.
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Kommentare
Wirklich eine super Pilgertour,lbG 🙋♀️💕
Wieder tolle Reiseschilderungen und eindrucksvolle Bilder.